Warten auf den Wolf
Menschen müssen sich erst wieder an ein Zusammenleben mit Isegrim gewöhnen
Mehr als 100 Jahre nach dem Abschuss des letzten Tieres ist die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland nicht mehr aufzuhalten. Von den Populationen in Polen und in den Alpen kommen die Wölfe nun auch zu uns. Inzwischen leben in Deutschland wieder etwa 46 Wolfsrudel, die v.a. in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen angesiedelt sind. In Baden-Württemberg wurden seit 2015 zwei Wölfe überfahren und ein durchziehendes Tier lebend gesichtet. Baden-Württemberg ist also zurecht Wolfs-Erwartungsland. Doch die Rückkehr eines solchen Wildtieres in unsere Kulturlandschaft ist vielerorts begleitet von Ängsten, Unsicherheit, Vorurteilen und Fragen. Und so zog es vergangenen Freitag etwa 70 Leute aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus zu einer Wolfsveranstaltung in die VHS Biberach, zu der Sabine Brandt, Leiterin der NABU Bezirksgeschäftsstelle Allgäu-Donau-Oberschwaben, eingeladen hatte.
Mensch nicht im Beutespektrum des Wolfes
NABU Wolfsbotschafterin Sabine Häring präsentierte in einem Vortrag Informationen über das Verhalten und die Lebensweise des Wolfes und ging auch ausführlich auf potentielle Konfliktsituationen und die Möglichkeiten ihrer Vermeidung ein. „Da der Wolf bei uns so lange ausgerottet war, müssen wir Menschen das Zusammenleben mit ihm erst wieder erlernen“ so die Rednerin. Dabei zeigt ein Blick auf Länder und Bundesländer, in denen der Wolf noch oder schon wieder heimisch ist, dass eine Gefährdung des Menschen äußerst unwahrscheinlich ist. Seit es in Deutschland wieder Wölfe gibt, gab es keinen einzigen Vorfall, in dem sich ein Wolf einem Menschen aggressiv genähert hat. In Europa gab es in den letzten 50 Jahren nur neun Wolfsangriffe auf Menschen, und diese gingen von tollwütigen oder angefütterten Tieren aus. Der Mensch gehört nicht zum Beutespektrum des Wolfes, Wölfe verhalten sich Menschen gegenüber in der Regel vorsichtig und zurückhaltend.
Schutzmaßnahmen schon vor der Ansiedlung
Nicht auszuschließen sind hingegen Konflikte mit der Haltung von Nutztieren, insbesondere Schafen. Hier zeigte die Wolfsbotschafterin mögliche Präventionsmaßnahmen auf, etwa eine sichere Umzäunung oder der Einsatz von Herdenschutzhunden. „Wenn wir noch vor der Etablierung des Wolfes in Baden-Württemberg entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen, kann die Rückkehr des Wolfes für alles Seiten erfolgreich verlaufen. Es liegt an unserer Landesregierung, möglichst schnell einen Managementplan zu entwickeln, in dem geregelt ist, welche Präventionsmaßnahmen in welchen Umfang finanziell gefördert werden und in welcher Weise Nutztierverluste durch den Wolf entschädigt werden“. Doch nicht zuletzt ist Isegrims Rückkehr, die stellvertretend für ein bisschen mehr Wildnis in unserer Kulturlandschaft steht, auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Damit wir gut darauf vorbereitet sind, müssen alle Beteiligten, ob Naturschützer, Tierhalter, Landwirte, Jäger oder einfach Menschen mit Fragen und Ängsten zu diesem Thema, frühzeitig in einen sachlichen Dialog treten. Ein erster Schritt wurde an diesem Abend gemacht.
Der NABU hat eine Broschüre „Willkommen Wolf“ sowie Informationsmaterialien für Tierhalter herausgegeben. Diese können unter www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf heruntergeladen werden.
Wolf und Mensch - bei entsprechender Vorsorge ist ein Nebeneinander auch in unserer Kulturlandschaft wieder möglich. Das Foto zeigt Wolfsbotschafterin Sabine Häring vor einer Ausstellungskulisse. Foto: Rainer Hauenschild